DEUTSCHLANDTOURNEE 2016 - ein unvergessliches Erlebnis!


Dem einen oder anderen Artisten ist es erst im Flugzeug bewusst geworden, dass alles Wirklichkeit ist… und alles war neu und aufregend und großartig! Wir haben wohl selten unsere Kinder so ausgelassen und glücklich über so einen langen Zeitraum gesehen. Es war, wie in eine neue Welt einzutauchen.

Die eineinhalbjährige Vorbereitung und das Zutun vieler Helfer und Gastgeber haben sich gelohnt. Wir konnten uns in offene Arme fallen lassen… und das begann bereits am Flughafen. Vor dem Haupteingang wartete der Kleinbus mit Pappkartons, in denen unsere gesammelten, gespendeten Winterjacken, Schals und Handschuhe waren, und so wurde jeder Artist erst einmal „wetterfest“ eingepackt…

Und dann ging es los, über 5000km sollten es werden, 24 Aufführungen, 14 Workshops und 5 Oberstufenforen in knappen 6 Wochen vom 6. Januar bis zum 15. Februar 2016!

 

Die Aufführungen

Unsere Tourneeroute mit Schüler- und Abendaufführungen führte uns von Bayern (Coburg) über Hessen (Diez und Fulda) nach Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Stuttgart. Danach ging es auf einer langen Fahrt in den Norden, nach Bremen, Hude, Hamburg, Lübeck, Kaltenkirchen, Horst und zum krönenden Abschluss nach Berlin!

Was sollen wir sagen: Die Größe des Publikums hat uns überrascht. Über 7000 Menschen haben unseren Circus in den Aufführungen kennen gelernt! Dass trotz so großem kulturellen Angebot an deutschen Schulen unsere Vorstellungen so gut besucht waren, hat uns sehr gefreut!

Bereits bei der Premiere in Coburg kamen mehr Besucher als gesetzlich in den Saal passten… die Nervosität hinter der Bühne stieg. Aber der warmherzige Applaus ermutigte uns! Eine große Sorge war, ob der Inhalt der Bühnengeschichte „Pedro, Pipa, Pião“ verstanden würde… Umso überraschter und glücklicher waren wir dann, wenn es gerade im Moment der Drachenszene bei den Worten auf portugiesisch zum schönen Drachenspiel im Saal ganz still wurde – als hätte man wirklich verstanden, was gesagt wurde.

Ein besonderes Publikum waren für uns unsere Circusfreunde. Die Anerkennung von Artist zu Artist zählt wohl doppelt, die Anstrengung um das Gelingen eines Tricks wird noch einmal anders gesehen und geschätzt.

Ansonsten gab es viele Augenblicke, die uns oder unser Publikum zu Tränen rührte- bei einem südländischen Publikum ist es leicht vorzustellen – aber bei einem nordischen? Gibt es ein größeres Lob für einen Künstler?

 

Die Schülerworkshops

Ganz besondere Momente der Begegnung waren unsere Schülerworkshops.

Die Freude unserer Artisten Erlerntes weitergeben zu können, zu Erleben wie weit ihre soziale Kompetenz sich entwickelt hat, das muntere geschäftige Zusammentun zu beobachten, und der Austausch jenseits der Sprachbarriere – das war für alle ein Moment eines besonders natürlichen Kulturaustausches in einer Zeit, wo das Aufeinandertreffen verschiedenen Kulturen nicht immer ganz unproblematisch ist.

Nach dem gemeinsamen Kreisabschluss kam es nicht selten noch zu spontanen Fußballspielen in Hof, Halle oder Straße… oder zu Unterschriftsammlungen und Adressenaustausch…

 

Die Oberstufenforen

An 5 Schulen fanden Oberstufen- oder Lehrerforen über die soziale Situation Brasiliens und die Hintergründe unserer Arbeit statt. Das Interesse der Schüler an dem sozialen Thema war groß. Oft wurden sehr persönliche Fragen gestellt, und dies entließ uns mit einer Hoffnung im Herzen, dass sich die jungen Menschen heute sehr wohl für soziale Weltthemen und den anderen Menschen interessieren!

 

Unsere Reisen und Ausflüge

Wenn man die Artisten fragte, was sie von der Reise erwarteten, worauf sie sich am meisten freuten, war oft die Antwort: Ich will unbedingt Schnee sehen…

Gott sei Dank: Es schneite! Und das an einem Fahrtag, an dem wir über 300km zu bewältigen hatten. Trotzdem hielten wir an der ersten verschneiten Raststätte sofort an, und es wurde ausgiebig im Schnee getobt – Schneeballschlachten ausgefochten und sogar ein „Raststättenschneemann“ gebaut!

Nach einem Picknick mit warmem Tee und Brötchen und nach der ausgiebigen Pause mussten wir erst einmal eine dicke Schneeschicht von den Autoscheiben fegen, eine Freude für unseren brasilianischen Fahrer, der stolz einige Fotos vom Schneekratzen machte...

Unsere Nachtlager waren Klassenzimmer, Eurythmiesäle, Turnhallen oder Horträume... An vielen dieser Orte wurden wir wie von nächtlichen Heinzelmännchen versorgt. Kamen wir morgens in die zugeteilte Küche, dann war entweder ein gemeinsames Frühstück mit Schülern bereitet oder wir fanden Brote, selbst gemachte Marmeladen, Biomilch und andere Köstlichkeiten, die nur darauf warteten auf dem Tisch ausgebreitet zu werden. Kamen wir am Abend von unseren Aktivitäten zurück, waren die Körbe wieder voll und es reichte noch für die nächste lange Fahrt oder den Tagesausflug…

Während der gesamten Tournee gab es eigentlich nur zwei wirklich ganz freie Tage für Ausflüge. Den ersten verbrachten wir im Schnee, fuhren mit einer Seilbahn, rodelten und bauten ein Schneeiglu… den zweiten in Berlin, wo wir die Mauergedenkstätte anschauten und uns von der Kraft der Geschichte berühren ließen.

Die übrigen Tage und Wochen war viel Programm, nicht selten eine Aufführung und zwei Schülerworkshops, oder morgens eine Vorstellung, Abbau und nach einer langen Fahrt am Abend wieder Aufbau an einem neuen Ort… Nicht zu vergessen, dass jedes mal unsere Koffer ein- bzw. ausgeräumt werden mussten, die Feldbetten mit Schlafsäcken auf- und abgebaut… Jeden Abend gab es eine Tagebuchstunde, die nicht ausfallen durfte, egal wie müde man war… In 6 Wochen voller verschiedener Orte, jeder zweiten oder dritten Nacht einem anderen Lager und so vielen Menschen und Begegnungen ist es gar nicht so leicht die Orientierung zu behalten!

In den freien Minuten schafften wir es aber dennoch sehr viel „Typisch Deutsches“ kennen zu lernen, und zu jedem Ort haben wir nun eine besondere Erinnerung: Die Burgen in Coburg und Heidelberg, die Altstadt und der Dom von Bamberg, das Stadion und das Hallenbad mit Riesenrutsche in Stuttgart, das Holstentor und das Marzipangeschäft in Lübeck… in Karlsruhe das Schlittschuhlaufen, im Schwarzwald die Gondel und die Rodelbahn, samt Ausblick auf die Alpen, in Bremen die Stadtmusikanten, in Hamburg den Michel, die Elbfähre und ein Museumsschiff…

 

Was wir mitnehmen – was bleibt

Dass die Kinder und Jugendlichen diese Reise für ihr ganzes Leben weiter tragen werden ist natürlich keine Frage. So weit reisen zu dürfen, den Stolz mit nachhause zu tragen, in Europa aufgeführt und Freundschaften geknüpft zu haben, eine Idee zu bekommen, was alles möglich ist, und einen neuen Ansporn, die Schule ernst zu nehmen, sich in einer Welt eingebunden zu fühlen, die weit über die kleinen Elendsviertel São Paulos und das schwierige Leben hinausreicht, - all das allein wäre schon diese Reise wert. Der eine oder andere Schüler ist motiviert, um die Schulnoten aufzubessern, deutsch und englisch zu lernen und den ehemaligen Circusschülern nachzufolgen, die als Freiwillige nach Deutschland gegangen sind und nun teilweise im Studium oder einer Ausbildung sich befinden. Viele von ihnen haben wir nun wieder getroffen.

Aber auch wir Erwachsenen nehmen viel Stärkung aus dieser letzten Zeit mit zurück in unseren Alltag, das gleiche Gefühl des Eingebundenseins wie unsere Schüler in diese große Welt, wo wir alle an so unterschiedlichen Punkten an der einen guten Sache arbeiten. Es braucht genau diese Begegnungen und Momente, wo wir uns das gegenseitig zeigen und sagen dürfen, um die gemeinsame Freude daran zu teilen und den Mut aller zu stärken! Haben wir nicht in einer Zeit der höchsten Kriegszahlen auf der ganzen Welt, der Flucht vor Gewalt, religiösen und kulturellen Konflikten einen Moment lang echte Friedensmomente abseits jeglicher Kultur oder Herkunftsfrage geschaffen?

 

Vor der Reise war eine Frage, ob es recht ist in eine solche Fahrt zu investieren- immerhin könnte so ein kleiner Circus doch eine Weile von solch einer Summe leben. Wir haben es selbst erlebt und in Gesprächen ist es uns bestätigt worden:

Die Begegnung von Mensch zu Mensch ist oft das wichtigste und sogar das einzige Mittel sich gegenseitig kennen zu lernen, zu stärken und zu stützen. Ganz sicher werden wir jetzt nach dieser Reise ganz andere Gespräche führen können. Es ist nun eine Wirklichkeit und nicht mehr nur eine Idee, von der wir erzählen, Ihr habt es gesehen, Ihr wart dabei. Für einen Moment haben wir gemeinsam Geschichte geschrieben! Aus der Begegnung kommt die Kraft, die wir für unsere nächsten Schritte brauchen, für uns und vielleicht für die ganze Welt. Und jeder hat mit seiner kleinen persönlichen Entscheidung dazu beigetragen.

 

Einen riesigen Dank Euch allen… Publikum der Schulen,  Helfer und Gastgeber aller Orte, Türöffner und Schlüsselbringer, Hausmeister, Kaffeekocher, Schüler,  Workshopler,  Forenschüler,  Kinderbildmaler, Tafelschmücker und „Herzlich Willkommen“- Schreiber,  Küchenpersonal, (das sogar am eigenen Geburtstag für uns arbeitete), Wäsche-Wascher und ganz besonders Köche (!!!),  Betreuungslehrer,  Hortpersonal, unsere Circusfreunde und Familien, Requisitenspender, -bauer- und  -ausleiher, Autofahrer und Autoverleiher, Abholer und Sachenbringer, Reiseführer und Freizeitgestalter, Suppenkocher und Lebensmittel-, Brot-, Käse- und Marmeladenschenker, Gastklassen und Gastklasseneltern, Kleidersammler und -spender, „Marzipan-vor-die-Tür-Leger“, Kuchenmitbringer, spontane Regenschirm-käufer, Interessierte an zukünftigen freiwilligen Aufenthalten bei uns, Sport- und Klassenlehrer, Programmheft- und Plakatgrafikern, Sponsoren und Spendern, die vielen, die klatschten, die lächelten, uns ermutigende Worte sagten, uns mit guten Gedanken begleiten und uns ermuntern … wieder zu kommen!